Der vernachlässigte Nachlass
Niemand denkt gerne an den eigenen Tod oder denjenigen von Angehörigen. Diese allzu menschliche Scheu verhindert oft eine rechtzeitige Regelung des Nachlasses. Dabei müsste jedermann ein Interesse daran haben, dass die Angehörigen so versorgt sind, wie man es sich wünscht. Welche Regelung optimal ist, hängt von der familiären Situation ab.
Die klassische Familie
Beim klassischen Familienbild hat ein Ehepaar eines oder mehrere Kinder. Der erbrechtlichen Teilung geht in jedem Fall die güterrechtliche Auseinandersetzung zwischen den Ehegatten voraus. Hat zum Beispiel keiner der Ehegatten wesentliche Mittel in die Ehe eingebracht oder während der Ehe beispielsweise geerbt (Eigengut), so bildet das eheliche Vermögen Errungenschaft. Diese ist zwischen den Ehegatten hälftig zu teilen. Der Nachlass des verstorbenen Ehegatten besteht vereinfacht ausgedrückt aus seinem Eigengut und der hälftigen Errungenschaft. Erst jetzt greift die gesetzliche Erbfolge und der Ehegatte erhält unter diesem Titel wiederum die Hälfte des Nachlasses. Die andere Hälfte geht an die Kinder.
Der Pflichtteil der Nachkommen beträgt ¾ des gesetzlichen Erbanspruchs, in diesem Falle also 3/8 des Nachlasses. Zur Sicherstellung des überlebenden Ehegatten besteht die Möglichkeit, diesen mit Eheund Erbvertrag zu begünstigen. Ausserdem interessant ist der Spielraum, welcher sich aus dem Abschluss von Lebensversicherungen ergibt.
Die Patchworkfamilie
Hat einer der Ehegatten oder haben beide Kinder aus früherer Beziehung – dazu kommen vielleicht auch noch gemeinsame Kinder – dann bleibt die Erbfolge gleich. Was die Ehegatten gemeinsam erarbeitet haben (Errungenschaft), wird güterrechtlich hälftig geteilt. Den Nachlass teilt sich der überlebende Ehegatte mit den Kindern des verstorbenen Ehegatten. Die Stiefkinder des verstorbenen Ehegatten sind diesem gegenüber nicht erbberechtigt.
Wo die Ehegatten eine Gleichbehandlung der gemeinsamen und nichtgemeinsamen Kinder herbeiführen wollen, sind letztwillige Verfügungen unabdingbar. Zu bedenken sind in derartigen Fällen auch die Steuerfolgen, da erbrechtliche Zuwendungen zwischen nichtverwandten Personen regelmässig höhere Erbschaftssteuern nach sich ziehen. Hierbei sind auch kantonale Unterschiede zu berücksichtigen. Besonders bei Patchworkfamilien ist fallbezogen das Repertoire an erbrechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten in Kombination mit Versicherungslösungen zu prüfen.
Das kinderlose Ehepaar
Die Vorstellung, der überlebende Ehegatte sei automatisch der Alleinerbe, ist weitverbreitet – und falsch. Nach der gesetzlichen Erbfolge geht ¼ des Nachlasses an die Eltern des verstorbenen Ehegatten resp. an deren Nachkommen. Der überlebende Ehegatte findet sich so oft in der ungewollten und misslichen Lage, den Nachlass mit Schwägerinnen und Schwagern teilen zu müssen. Umgekehrt besteht aber oft auch der Wunsch, bestimmte Gegenstände wie z.B. Familienerbstücke der eigenen Familie zu erhalten. Klärung und Ordnung bewirkt in beiden Fällen eine letztwillige Verfügung.
Die alleinstehende Person
Alleinstehende Personen müssen nur den Pflichtteil der Eltern berücksichtigen. Umso wichtiger ist, dass sie sich Gedanken machen, wem denn letztlich der Nachlass zu Gute kommen soll. Ohne Regelung besteht die reale Möglichkeit, dass weit entfernte gesetzliche Erben zum Zuge kommen, die der Erblasser zu Lebzeiten nie gesehen hat. Das richtige Vorgehen Ausgangspunkt jeder Analyse ist eine Bestandesaufnahme der finanziellen Situation. Vor dem Hintergrund der familiären Verhältnisse und der als wahrscheinlich betrachteten Entwicklungen der Zukunft sind die Bedürfnisse und Ziele zu definieren.
Die Bestimmung der richtigen Massnahmen und deren Umsetzung erfordert vielfach den Beizug einer Fachperson. Jedoch sind Eheund Erbverträge ohnehin von einem Notar öffentlich zu beurkunden. Positiv ist, dass zumindest im Kanton Luzern nur die Notariatsgebühr zu bezahlen ist: die mit der Ermittlung des Parteiwillens verbundene Beratung ist darin enthalten.